„Die überwiegende Mehrheit der Beteiligten stellt fest: Ja, es geht doch. Wir machen die gleichen Inhalte und die gleichen Themen auf eine andere Art, die effektiver und auch ein bisschen schneller ist.“
Markus Weigold, Partner und Vorsitzender der Geschäftsführung bei Drees & Sommer
Übersicht der Interviewfragen:
Angepasster Projekt-Fahrplan
Herr Weigold, wie schätzen Sie den Einfluss von Corona im Vergleich zu anderen exogenen Faktoren, die Einfluss auf einen Baustopp haben oder Verzögerungen bewirken, ein?
Corona lässt sich nicht isoliert betrachten, schließlich betrifft es alle. Es ist daher allumfassend im Projekt und im gesamten Immobilienumfeld zu thematisieren. Da gilt es zu analysieren, welche Punkte sind jetzt konkret in welcher Projektphase relevant und wie sieht der Gesamtfahrplan aus.
Sie sind mit Drees & Sommer als Projektsteuerer in mehrere tausend Projekte involviert. Welche konkreten Auswirkungen sind in den Projekten spürbar?
Konkrete Auswirkungen, das heißt Projektstopps oder Verzögerungen, sind mit unterschiedlicher Auswirkung bei 25 bis 30 Prozent der Projekte sichtbar. Echte Projektstopps haben wir in einem sehr geringen Umfang von fünf bis zehn Prozent. Wir sehen sowohl positive als auch negative Auswirkungen. In allen Projekten werden grundlegende Maßnahmen zum Ablauf und Schutz umgesetzt. , man kollaboriert anders wie zuvor. In einzelnen Fällen haben wir durchaus kurze „breaks“ veranlasst, um innerhalb weniger Tage die Situation zu analysieren. Das ist kein Projektstopp im herkömmlichen Sinn, sondern dient dazu das Projekt zu justieren. Dann wird priorisiert, was ist zu tun, um dann dem Fahrplan entsprechend weiter zu agieren.
Erfolgreiches Risikomonitoring
Was waren Ihrer Meinung nach die notwendigen Voraussetzungen, um in dieser Situation schnell zu agieren und innerhalb weniger Tage Prozesse anzupassen?
Zwei Themen waren meiner Ansicht nach besonders wichtig. Wir hatten durch unser umfassendes Risikomonitoring in den einzelnen Projekten eine gute Grundlage. Es ist natürlich so, dass auf keiner Risikoliste der Welt Corona draufstand. Auch nicht auf unserer. Tatsächlich hat uns die strukturierte Analyse einzelner Themenfelder im Vorfeld geholfen mit so einer Situation umzugehen. Wenn erstmal die Grundlagen da sind, kann man auch schnell etwas tun. Ein zweites wesentliches Thema, ist die Frage, wie gut bin ich auf digitale Arbeit eingestellt? Und das ist durchaus sehr heterogen bei den Projektbeteiligten, gerade im Bau. Wir haben von vielen Kunden zurückgespiegelt bekommen, dass sie viel von der von Drees & Sommer übernehmen konnten. Weil wir die digitalen Tools schon am Start hatten, sei es im Kostenbereich oder digitales Lean Management. Und so konnten wir dann gemeinschaftlich alle Projektbeteiligten an Bord holen. Was dazu führte, dass Stand heute – ich kann für den Standort Berlin sprechen – exakt 100 Prozent der Projekte wieder im angepasstem Normalbetrieb laufen.
Sie haben gerade die Zusammenarbeit mit Ihren Projektpartnern angesprochen. Was schätzen Sie, waren die größten Herausforderungen in den einzelnen Projekten, um auf Corona zu reagieren?
Zunächst einmal spielt das Thema Infrastruktur eine große Rolle. Wir haben uns als Unternehmen schon vor mehreren Wochen, als die erste Phase eingetreten ist, zu hundert Prozent Homeoffice-fähig gemacht. Da braucht man natürlich entsprechende Datenleitungen, Datenkapazitäten und die Systeme müssen darauf vorbereitet sein. Neben der Infrastruktur sehe ich als zweites großes Thema die User Experience: Fühle ich mich zuhause in der digitalen Welt, finde ich mich bei der Bedienung digitaler Tools zurecht? Das ist meiner Meinung nach ein Thema, das sehr stark vernachlässigt wird. Weil es nicht direkt greifbar ist. Und dann kommt als dritter Bestandteil die konkreten Projektspezifika hinzu: Gibt es eine Kollaborationsplattform, wo sind die Projektdaten abgelegt, hat jeder Zugriff darauf oder aber auch wie funktioniert ein Rechnungslauf? Das sind dann projektspezifische Details, die dann relevant werden.
Prävention durch Digitalisierungsstrategie
Sie übernehmen mit Drees & Sommer in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle. Ich denke beispielsweise an den Bereich Lean Construction. Haben Sie das Gefühl, dass die Anwendung solcher innovativer Methoden in der aktuellen Situation einen Vorteil bringt?
Tatsächlich bringt es meiner Meinung nach einen klaren Vorteil, wenn man . Wir haben im Moment einen maximalen . Das führt aber zu einer unglaublichen Beschleunigung der Einführung solcher Themen und auch der Akzeptanz. Die überwiegende Mehrheit der Beteiligten stellt fest: Ja, es geht doch. Wir machen die gleichen Inhalte und die gleichen Themen auf eine andere Art, die effektiver und auch ein bisschen schneller ist. Da wird das Expertenwissen jetzt von den jüngeren Altersgruppen nach oben transportiert. Die Projekterfahrung, das Bau-Knowhow läuft genau andersherum.
Nehmen Sie wahr, dass Projekte deren Fokus seit jeher auf agilen Arbeiten und innovativen Methoden lag jetzt auch reibungsloser weiterlaufen?
Ja, das nehmen wir sehr stark wahr. Wir starten deshalb jedes Projekt mit einer hinsichtlich der digitalen Projektabwicklung. Natürlich gilt es, sich jeweils auf die Projektgegebenheiten und die Projektbeteiligten einzustellen. Da kann man dann projektbedingt durchaus zu unterschiedlichen Schlüssen kommen und bewusst weniger digital arbeiten. Beispielsweise sich bewusst für eine reduzierte Strategie entscheiden, um vielleicht auch Zeit zu gewinnen. Die zweite Erkenntnis ist jedoch, dass der Zeitgewinn meistens ein scheinbarer Zeitgewinn ist. Vielleicht gelingt ein schnellerer Start, weil alle in ihrer alten, gewohnten Umwelt arbeiten können. Auch heutzutage ist nicht alles Corona. So ein Zeitgewinn wird auch in normalen Zeiten durchaus aufgefressen durch Überarbeitungen, weil man eben nicht die Kollaborationsplattform hat, weil man keine digitalisierten Prozesse hat. Mitten im Projekt und mit wachsender Datenbasis ist dann keine Umstellung per Knopfdruck auf Digital mehr möglich. Da treten dann wirkliche Zeitverluste und Risiken ein.
Termine, Zeit und Kosten im Projektverlauf
Können Sie einschätzen, auf welchen Projektbereich oder welche Projektphase die aktuelle Situation die meisten negativen Auswirkungen hatte?
Wenn man nach Phasen vorgeht, schlägt es sich in der Realisierungsphase am meisten nieder. Alle Themen sind natürlich eine Folge von Einzelthemen, die aufeinander aufbauen. Eigentlich ist alles in der Planung und den Verträgen geregelt. Wenn man den Bauablauf ändern muss, führt das zu geänderten Terminen und Kosten. Und wenns länger geht, brauche ich eine andere Finanzierung. Das betrifft auch wieder die Kosten. Ganz am Schluss kommt das alles wieder in die Verträge. Es startet also bei den Verträgen und endet bei den Verträgen.
Sie haben angesprochen, dass es auch positive Effekte zu betrachten gibt. Können Sie einige Beispiele nennen?
Ein Bauprojekt ist charakterisiert davon, dass man nie Zeit hat. Tatsächlich sprintet man häufig von einer Phase zur nächsten. In Projekten, in denen man kurz vor Ausschreibung oder kurz vor Baubeginn war, hat man jetzt durchaus nochmal eine Detaillierungs- oder Optimierungsphase eingelegt. Dieses sogenannte Value Engineering sorgt nicht nur für bessere Planungsqualität, sondern idealerweise auch für niedrigere Kosten. Wir haben auch den Anstoß gegeben, gezielt mit inhaltlicher Denke reingehen und konkret zu fragen, welche Optimierung erfordert denn die aktuelle Situation?
Maßnahmen für Slow Down, Shutdown und Restart eines Projekts
Wenn wirklich ein realer Baustopp in einem Projekt eintritt. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren für einen schnellen Restart?
Unsere Analysen basieren auf folgender Dreiteilung: Slow Down, Shutdown und Restart Phase. Am wichtigsten ist es, den Restart konkret zu planen und nicht nur zu hoffen. In der Zeit, wenn ein Projekt ausgedünnt ist oder pausiert wird, heißt das konkret: Daten verfügbar machen, Verfügbarkeit von Personal klären, Vertragssituation klären. Wir erleben das Ganze als sehr positiv, ein sehr pragmatisches und konstruktives Miteinander. Gemeinsam heißt auch immer: Es muss Transparenz da sein. Daten, Terminauswirkungen, Unterlagen, Lieferketten müssen transparent verfügbar gemacht werden. Und dann sind auch Themen relevant, die mit dem Bauen an sich vielleicht gar nichts zu tun haben. Beispielsweise die finanzierende Bank interessiert, wie denn der Projektstand ist und wie es weitergeht. Wenn die Finanzierung ausläuft oder prolongiert werden muss, unter welchen Rahmenbedingungen das zu tun ist. Da muss sehr schnell ein transparenter Stand da sein, um auch ein Vertrauen bei dem Finanzierungspartner erzeugen zu können.
Drei Faktoren gewinnen an Bedeutung
Ich würde gerne zum Abschluss wissen, wie sich Ihrer Einschätzung nach die aktuelle Situation auf kurze und lange Sicht auf den Projektfortschritt auswirkt?
Bis zum Ende des Jahres werden wir uns darauf einstellen müssen, dass wir in gewisser Weise eingeschränkt oder angepasst arbeiten werden müssen. Meiner Ansicht nach werden sich dann sukzessive die Projekte weiter am Markt halten und durchaus mit mehr Energie fortgesetzt werden, hinter denen ein klarer Plan steht. Deren Verträge, Finanzierungen, Daten und Konzepte verlässlich vorhanden sind. Mittelfristig glaube ich schon, dass einige Themen im positiven Sinne hängenbleiben werden. Wir werden die Büroarbeitsplätze nicht abschaffen, aber Homeoffice wird zu einem gewissen Anteil auch bleiben. Wenn Büro, dann aber richtig. Dann liegt der Fokus auf guter Kommunikation und hoher Qualität in der Zusammenarbeit. Ganz wichtig bei allem, wie vorher bereits gesagt: Infrastruktur, User Experience und angepasste Projekttools, um das Ganze auch zu steuern. Ich glaube dieser Dreiklang wird auch im praktischen Doing hängen bleiben.
Markus Weigold ist Vorsitzender der Geschäftsführung und Partner bei . Er ist seit fünfzehn Jahren für das führende europäische Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen tätig.